Sonntag, 1. November 2015

"Der nackte Wahnsinn" im hist(o)erischen Theater



»Von hinten war es komischer als von vorne«, soll der Theaterautor  Michael Frayn gesagt haben, als er von der Seitenbühne die Aufführung eines seiner Stücke sieht. Inspiriert von diesem Erlebnis schreibt er die Komödie »Der nackte Wahnsinn«. Diese feierte nun in einer Inszenierung des hist(o)erischen Theaters Premiere im Olof Palme Haus - als turbulente Boulevardkomödie.

Seien Sie Zeuge einer Verwicklung aus 4 Tellern, 8 Türen, 24 Sardinen und 5 Betttüchern. Sie erleben einen Fesselungstrick, zwei Axtkämpfe sowie diverse Eifersuchtsdramen bei anhaltender Orientierungslosigkeit, heißt es im Programmheft und ist dabei deutlich untertrieben. „Der nackte Wahnsinn“, in der Inszenierung von Susanne Betz die auch die Rolle der Dotty übernimmt,  ist mehr als nur die Aufzählung von Verstrickungen und Bühnenkatastrophen. Es ist der lustvolle Blick hinter die Kulissen, Kulissengetuschel und Liebesverwirrungen inklusive. Doch der Reihe nach. Es ist kurz nach Mitternacht, die Generalprobe von »Nackte Tatsachen« läuft. Nur noch wenige Stunden bis zur Premiere. Die Nerven liegen blank. Texthänger, Türenklemmen, Requisitenchaos, orientierungslose Schauspieler, verlorene Kontaktlinsen, volltrunkene Schauspieler – Regisseur Lloyd Dallas (Bernd Lukosch) und seine Darsteller sind verzweifelt. Lukosch gibt hier brüllend und schimpfend den selbstherrlichen Theatergott und ist doch Teil des Chaos. Was für die Beteiligten ein Albtraum ist, wird für den Zuschauer zum durchgedrehten, turbulenten Komödienwahnsinn. Mehr als den ersten Akt des Lustspiels bekommt das Publikum allerdings nie zu sehen bekommen. Diesen aber in mehrfacher Ausführung und aus verschiedenen Blickwinkeln. Das Publikum verfolgt die Probe, wird  Zeuge der Premierenaufführung, allerdings jetzt aus Backstage Perspektive, um letztlich bei der finalen Aufführung der Tour dabei zu sein. Diese hat mit dem ursprünglich geprobten Stück nicht mehr viel gemeinsam. Leben, Theater und Wahnsinn kulminieren hier in einem wahren Bühnenfeuerwerk, die  privaten Katastrophen gewinnen die Oberhand - der nackte Wahnsinn eben. Das vielköpfige Ensemble des hist(o)erischen Theaters lässt es hier richtig krachen. Temporeich und turbulent, sei es als einfältiger Einbrecher mit Hang zur Whiskeyflasche (Winfried Wagner), Hans-Otto Bienau als eifersüchtiger Schauspieler mit Augen nur für Brooke (Britta Wessel) oder Inspizient Tim (Georg Fahlbusch) und Regieassistentin Poppy (Diana Bär), die als Spielball des herrschsüchtigen Regisseurs retten müssen, was nicht zu retten ist. Eine Inszenierung mit hohem Unterhaltungswert.
Weitere Vorstellungen am 6. bis 8. November, 20. bis 22. November und 27. bis 29. November. Fr. und Sa. Beginn jeweils 19.30 Uhr. Sonntags 18 Uhr.

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