Mittwoch, 20. Februar 2013

Hanau und das Zuwandererproblem

Zuwandererproblem ohne Hilfe von Bund und Land nicht lösbar
Magistrat fordert vom Land Unterstützung – Starker Zuzug im Südosten der Stadt

Rumänen und Bulgaren, die der Armut in ihrem Heimatland entfliehen, stranden seit einem Jahr zunehmend auch in Hanau, vornehmlich im Südosten der Stadt. "Um die damit einher gehenden sozialen Problemen nur annährend bewältigen zu können, brauchen wir zwingend die Unterstützung durch Bund, Land und die Europäische Union", betont Sozialdezernent Axel Weiss-Thiel. Der Magistrat schließt sich der Forderung des Deutschen Städtetages nach Finanzhilfen an, damit die Kommunen die schwierige Integrationsarbeit überhaupt leisten können.

 Parallel dazu hat Weiss-Thiel die hessische Kultusministerin Nicola Beer in einem persönlichen Schreiben um Unterstützung gebeten, damit der Stadtteil Südost nicht aus der Balance gerät.
Von den Zuständen in der Nachbarstadt Offenbach, wo rund 4700 Menschen aus Rumänien und Bulgarien leben, sei Hanau noch weit entfernt, so Weiss-Thiel. Derzeit sind rund 350 Menschen mit rumänischem Pass in der Daimlerstraße gemeldet. Seit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur EU konzentriert sich die Zuwanderung in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet. "Wir sind konfrontiert mit Menschen", so der Stadtrat, "die nur eine geringe Bildung haben, kein Deutsch sprechen und aus einem Kulturkreis kommen, der zur Abschottung neigt. Die Kontaktaufnahme gestaltet sich ausgesprochen schwierig."
Als sich im Frühjahr 2012 abzeichnete, dass sich die Wohnblocks in der Daimlerstraße zu einem Anlaufpunkt für rumänische Armutsflüchtlinge entwickeln, wurde eine Ämter übergreifende Arbeitsgruppe gebildet. Dazu gehören die Ausländerbehörde, das Ordnungsamt, die Bauaufsicht, der Fachbereich Bildung, Soziale Dienste und Integration, der Eigenbetrieb Kindertagesbetreuung und das Staatliche Schulamt. Mit dem Sozialamt und dem Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises steht die Stadt ebenfalls in Kontakt, ebenso mit der Polizeidirektion Main-Kinzig, die eine eigene Arbeitsgruppe für die Daimlerstraße installiert hat. Nach Aussage von Hans Günter Knapp, dem Leiter der Polizeidirektion, ist die Daimlerstraße derzeit kein Schwerpunkt der Kriminalität. Die Bewohner respektierten die polizeiliche Autorität.
Die Bürgerinnen und Bürger, die in der näheren Umgebung der Blocks wohnen, bewerten die Umständen nicht selten anders, weiß der Stadtrat aus Gesprächen im Quartier. Er hatte im November gemeinsam mit Hans Günter Knapp und Mitgliedern der Arbeitsgruppe zu einer Versammlung in das Stadtteilzentrum Südost eingeladen. "Sie beklagen unter anderem den Müll in der Daimlerstraße, Lärmbelästigungen und zunehmende Kriminalität", fasst er die Stimmung zusammen. Stadt und Polizei würden die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner sehr wohl ernst nehmen. "Wir müssen unser Instrumentarium im Umgang mit den vielen südosteuropäischen Armutsflüchtlingen noch schärfen, denn bislang haben wir in Hanau nur wenig Erfahrung mit dieser Bevölkerungsgruppe. Es fehlt an Fachpersonal, das deren Sprache spricht und mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut ist." Nicht nur in Hanau müsse das entsprechende Know-how erst noch aufgebaut werden.
"Die Stadt fährt derzeit eine zweigleisige Strategie", erläutet Weiss-Thiel. Zum einen setze sie alle ordnungsrechtlichen Instrumente ein, damit deutsche Regeln und Gesetze eingehalten werden. "Dazu gehört, dass wir die Vermüllung der Daimlerstraße nicht dulden." Das Ordnungsamt ist zweimal täglich zur Kontrolle vor Ort. Da der Eigentümer der Liegenschaft die Problematik in den meisten Fällen ignoriere, so Weiss-Thiel, sehe sich der Eigenbetrieb Hanau Verkehr und Entsorgung in der Pflicht, die Abfallberge zu entsorgen. Die Rechnung erhält der Hausbesitzer.
Auf die Zusammenarbeit verschiedener Professionen ist die Stadt angewiesen in ihren Bemühungen, die rumänischen Staatsbürger in die Stadtgesellschaft zu integrieren. Angesichts der Sprachbarrieren ein schwieriges Unterfangen, gibt Weiss-Thiel zu. Der Fokus der sozialen Arbeit richtet sich deshalb gemeinsam mit dem EB Kindertagesbetreuung, dem Schulverwaltungsamt und dem Staatlichen Schulamt auf die Integration der Kinder. In der Anne-Frank-Schule sind die Kapazitäten für die Seiteneinsteiger-Klasse vergrößert worden, in denen Zuwandererkinder vor allem Deutsch lernen.
"Doch die Grundschule stößt zunehmend an räumliche, personelle und sozialverträgliche Grenzen", berichtet der Stadtrat Kultusministerin Nicola Beer in einem an sie persönlich gerichteten Brief. Die Schule könne rund 30 Seiteneinsteiger ohne Deutschkenntnisse pro Schuljahr räumlich und pädagogisch nicht mehr verkraften. Die Stadt finanziere bereits seit Jahren eine Stelle für eine Sozialpädagogin, die das engagierte Lehrerkollegium bei der Betreuung und Begleitung der Kinder unterstützt, die überwiegend aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Schichten stammen. Derzeit richtet die Stadt im Stadtteilzentrum Südost eine Ausweichklasse für rund 20 Schülerinnen und Schüler ein, in der nach den Osterferien rumänische Mädchen und Jungen der dritten und vierten Jahrgangstufe unterrichtet werden.
Vor dem Hintergrundgrund, dass die Konzentration der Zuwanderung aus Südosteuropa eine weitere Belastung für den Stadtteil Südost darstellt, bittet er Nicola Beer, sich beim Hessischen Wirtschaftsministerium dafür stark zu machen, dass das Wohnviertel , wie bereits vor zwei Jahren beantragt, in das Programm Sozialen Stadt aufgenommen wird. "Ich bin davon überzeugt", so der Stadtrat, "dass es bei der Bewältigung der aktuelle Problemlagen sehr hilfreich wäre."
Und auch beim Hessischen Städtetag wirbt er in seiner Funktion als Vorsitzender des Sozialausschusses um Verbündeten. Für die nächste Sitzung am 27. Februar hat er das Problem der Kommunen mit den Zuwanderern aus Rumänien und Bulgaren auf die Tagesordnung setzen lassen. (Pressemitteilung der Stadt Hanau)

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